Den Umschlag tut sie in einen Papierkorb. Der ist wirklich da.
Sie liest den Brief, vielleicht eine Minute, dann fällt er auf den Boden, und
Gabriela fängt an zu weinen. Den Leuten gefällt das Pantomimenspiel. Nur
ein älterer Herr mit Bart regt sich auf. „Das ist doch Unsinn! So etwas
müsste man verbieten.“ Früher hat Gabriela sich über solche Leute geärgert,
heute kann sie darüber lachen. Sie meint: „Die meisten Leute freuen sich
über mein Spiel und sind zufrieden.“ Nach der Vorstellung sammelt sie mit
ihrem Hut Geld: 4 Euro und 36 Cent hat sie verdient, nicht schlecht. „Wenn
ich regelmäßig spiele und das Wetter gut ist, geht es mir ganz gut.“ Ihre
Kollegen machen Asphaltkunst gewöhnlich nur in ihrer Freizeit. Für
Gabriela ist Straßenpantomimin ein richtiger Beruf.
Gabrielas Asphaltkarriere hat mit Helmut angefangen. Sie war 19,
er 25 und Straßenmusikant. Ihr hat besonders das freie Leben von Helmut
gefallen, und sie ist mit ihm von Stadt zu Stadt gezogen. Zuerst hat Gabriela
für Helmut nur Geld gesammelt. Dann hat sie auch auf der Straße getanzt.
Nach einem Krach mit Helmut hat sie dann in einem Schnellkurs
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Pantomimin gelernt und ist vor sechs Monaten Straßenkünstlerin geworden.
Die günstigsten Plätze sind Fußgängerzonen, Ladenpassagen und
Einkaufszentren. „Hier denken die Leute nur an den Einkauf, aber bestimmt
nicht an mich. Ich hol’ sie ein bisschen aus dem Alltagstrott“, erzählt sie.
Das kann Gabriela wirklich: Viele bleiben stehen, ruhen sich aus, vergessen
den Alltag.
Leider ist Straßentheater auf einigen Plätzen schon verboten, denn
die Geschäftsleute beschweren sich über die Straßenkünstler. Oft verbieten
die Städte dann die Straßenkunst.
„Auch wenn die meisten Leute uns mögen, denken viele doch an
Vagabunden und Nichtstuer. Sie interessieren sich für mein Spiel und
wollen manchmal mit mir darüber sprechen, aber selten möchte jemand
mich kennen lernen oder mehr über mich wissen.“
Gabrielas Leben ist sehr unruhig. das weiß sie auch: „Manchmal
habe ich richtig Angst, den Boden unter den Füßen zu verlieren“, erzählt sie
uns. Trotzdem findet sie diesen Beruf fantastisch; sie möchte keinen
anderen.
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